Reinhard Müller geht in den Ruhestand

  • Birgit Kochsiek
Pfarrer Reinhard Müller geht in den Ruhestand. Für den neuen Lebensabschnitt zieht es ihn in die Ferne, nach Südfrankreich, in ein Dorf, in dem die Grundschulkinder bald für ihren Schulalltag herausfahren müssen, um mit gleichaltrigen Kindern aus dem Umland zusammen unterrichtet werden zu können. Für junge Familien gibt es zu wenig Arbeitsplätze dort auf dem Land, sodass sie wegziehen und der Altersdurchschnitt der Bevölkerung steigt. Das ist laut Bürgermeister der Hintergrund für diese Entwicklung.
Für Herrn Müller wartet aber genau dort ein Garten und ein Haus, das bewohnt werden will.
Aufgewachsen im Saarland, in der Nähe des Bostalsees, in einer Familie mit Sägewerk, wusste er schon kurz vor dem Abitur, dass er Pfarrer werden wollte. Kirchlich sozialisiert und unterstützt von den Eltern realisierte er seinen Berufswunsch und studierte zunächst in Mainz, Bonn und Hamburg Evangelische Theologie. Als einer, der der Generation der Babyboomer zugehörig war, musste er die Erfahrung machen, dass überall zu viele Mitstreiter waren. Deshalb war er ganz zufrieden, eine Pfarrstelle im Rheinland abbekommen zu haben. Es wurde Bonn. Das hieß für ihn, im Brennpunkt zu arbeiten: Aussiedler aus Rumänien, Polen und Russlanddeutsche mussten bei der Gemeindearbeit mitgenommen werden.
Er zog weiter nach Koblenz, um Militärseelsorger im Bundeswehrkrankenhaus zu werden. Soldaten und zivile Patienten durfte er dort betreuen, bis er für ein halbes Jahr in den Auslandseinsatz mit dem Feldlazarett nach Sarajewo (Bosnien und Herzegowina) beordert wurde. Für Herrn Müller bedeutete das, auf gewohnte Freiheit verzichten zu müssen; denn bei jedem Ausgang musste er sich – zu seiner eigenen Sicherheit – abmelden.
Die nächste Station seiner beruflichen Laufbahn bot ganz andere Herausforderungen: Am Rande von Aachen war er mit stadtteilbezogener Gemeindearbeit mit dem Schwerpunkt Kirchenmusik beschäftigt. Die Gemeindeglieder gehörten eher der oberen Mittelschicht an, kannten sich alle und waren im Chor engagiert. Die Älteren nutzen die Musik zur sozialen Kontaktpflege.
Auch dort hielt es ihn nicht länger als acht Jahre, dann kam er zu uns nach Trier. Wieder neue berufliche Aspekte: Nun im Zentrum der Stadt arbeitend war die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Institutionen möglich, etwa mit den Vereinigten Hospitien, bei der Vorbereitung des Hospiztags, gemeinsam mit dem Netzwerk Demenz Trier-Saarburg bei der Vorbereitung des ökumenischen Gottesdienstes für Menschen mit und ohne Demenz, mit den Grundschulen Olewig, Irsch und Keune, dem Auguste-Viktoria-Gymnasium und der Cüppers-Schule bei den ökumenischen Schulgottesdiensten.
Sein Einsatzgebiet umfasste die Krankenhausseelsorge im Brüderkrankenhaus, wo er den Vertrauensvorschuss seitens der Patientinnen und Patienten genoss. Zudem war er der Kindergartenbeauftragte für die KiTa-Wichernhaus. Er war zuständig für die Begleitung der Arbeit dort, pflegte die Kontakte zum Jugendamt und feierte alle zwei Wochen den Gottesdienst in der Konstantin-Basilika. Ja, überhaupt Gottesdienste, die gemeinsam vorbereitet wurden, bereiteten ihm die größte Freude, aber auch der Evensong.
Rückblickend schätzt er an seinem Beruf besonders die Begegnungen mit den Menschen in ihrer Vielfalt und das Begleiten-Dürfen ihrer Lebensgeschichten über einen kurzen oder längeren Lebensabschnitt hinweg mit der frohen Botschaft von Jesus Christus.
Die Coronazeit führte mit ihren einhergehenden Einschränkungen nicht nur dazu, dass wegen des Besuchsverbots die Patientinnen und Patienten ihre Angehörigen vermissten und für sie wichtige Gespräche ausfielen, sondern allgemein für alle persönliche Gespräche auf der Strecke blieben. Sie wurden ersetzt durch Online-Begegnungen und Zoom-Gottesdienste.
Diese digitalen Veränderungen erleichtern Herrn Müller als „Not Digital Native“ den Abschied aus Trier. Er geht mit lachendem Auge zusammen mit seinem Partner nach Frankreich, wo die nächste evangelische Gemeinde ungefähr 50 Kilometer entfernt liegt. Dort will er erst einmal spüren, wie es ist, Verantwortung abgeben zu dürfen, erst einmal ankommen, zur Ruhe kommen, hat das Berufsleben doch im Kern ein Angespanntsein für ihn beinhaltet. Er freut sich darauf, neue Kontakte aufzubauen, eine Art Neustart hinzubekommen ohne To-Do-Liste und große Verpflichtungen. Vielleicht will er im Kirchenchor mitsingen. Seine sprachliche Begabung und die bereits jetzt sehr guten Französischkenntnisse werden ihm dabei sicher helfen.
Alles alles Gute für den Neustart in neuer Umgebung!